Jazz-CD „Night over Berlin“
Wolfgang Mitschke
REZENSION in der Zeitschrift Jazzpodium
Nachdem der Keyboarder und Multi-Instrumentalist Wolfgang Mitschke seine bisherigen drei Jazz-CDs per Overdubbing - auch an Bass und Schlagzeug - im Alleingang aufgenommen hatte, hat er sich nun einen Partner gewählt. Es ist der Tenorsaxofonist Jürgen Dietz, der bei Christof Lauer und David Liebman gelernt und u.a. mit Thorsten De Winkel und Julia Hülsmann gespielt hat. Und nachdem "Journey to Sydney" (1999) und "Latin in New York" (2003) bei einem kleinen Musikvertrieb erschienen waren, ist er nun mit "Night Over Berlin" bei einem renommierten deutschen Label gelandet. In diese Kooperation mit dem neuen Label und dem neuen Kompagnon hat er als etwas erstaunliche Mitgift mehrere Stücke aus seinen vorigen Soloalben als bloße "remastered versions" eingebracht.
So wird das wohl überzeugendste Stück seiner letzten beiden CDs, das ein wenig an den Herbie Hancock der 70er Jahre erinnernde, dynamische Titelstück der zweiten CD "Sundance" (2001), hier nun quasi unverändert zum dritten Mal präsentiert. Sozusagen als Ausgleich überlässt er jedoch in auffälliger Arbeitsteilung in fast allen übrigen Stücken die ausgiebigen solistischen Improvisationen völlig dem Saxofonisten, während er sich trotz seiner beachtlichen pianistischen Fähigkeiten vor allem auf dem E-Piano auf die Gestaltung des rhythmischen und harmonischen Backgrounds beschränkt sowie fürs Arrangieren, Programmieren, Komponieren und Produzieren zuständig bleibt.
Dabei geht Wolfgang Mitschke relativ stark auf Nummer sicher. Das Repertoire besteht nämlich wie schon auf den vorigen Alben neben seinen Eigenkompositionen aus poppig aufbereiteten Standards wie "Night and Day", "In your own sweet way", "Corcovado" und "Yardbird Suite", und Saxofonist Jürgen Dietz gestaltet seine Soli überaus gekonnt und mit kräftigem, sonorem Ton sehr melodiös. Wenn zudem drei kurze, skizzenhafte Stücke "Let's play Smooth Jazz" getitelt sind, so scheint das weniger ironisch als vielmehr eher ernst gemeint zu sein, obwohl es vor allem durch das markante Spiel des Saxofonisten häufig gar nicht so smooth zugeht.
Gemessen an vergleichbaren amerikanischen Produktionen, etwa von den Keyboardern George Duke, Jeff Lorber, Bobby Lyle oder Marcus Johnson, ist hier der Improvisations-anteil viel größer sowie die Gefahr, ins Seichte oder Kitschig-Sentimentale abzugleiten, viel geringer, dafür klingt manches schon mal ein wenig brav sowie weniger ausgebufft und groovig als bei der US-Konkurrenz. Wer gefälligen, wohlklingenden sowie insgesamt gut und kraftvoll gemachten instrumentalen Easy-Listening- bzw. Pop-Jazz zwischen Fusion, Funk, Latin und Mainstream mag, der kommt hier indes voll auf seine Kosten.
Hans-Dieter Heistrüvers
Wolfgang Mitschke auf Wikipedia
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